Original by Painter: John Trumbull; Photographer: cliff1066 (Flickr) [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons; edited by Thomas Tunsch (CC BY-SA) |
Während einige Museen die Vermittlung des kulturellen Erbes im digitalen Zeitalter dadurch befördern, daß sie die Informationen über den von ihnen verwalteten Teil dieses Erbes frei zugänglich machen (Kulturerbe für alle ...) – vor allem die Abbildungen des Kulturgutes in ihren Ausstellungen und Magazinen – gibt es auch Sammlungen, die diese freie Verbreitung einschränken möchten. Ein aktueller Fall ist der Streit um die Abbildung eines Wagner-Portraits in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen.1
Vermittlung von Museumsinhalten
Die häufige Darstellung von Objekten als Reproduktionen und deren weite Verbreitung beeinflußt die Anschauungen über das materielle kulturelle Erbe zweifellos stärker als das Original, da dieses nur für wesentlich weniger Menschen verfügbar ist. Die potentielle Gruppe der "Nutzer" von Museen ist in den Zeiten des Internets weit größer als die der "Besucher" von Museumsgebäuden. Werden für die Reproduktionen von Museumsobjekten, die bereits gemeinfrei sind, wieder urheberrechtliche Schutzrechte beansprucht, kann dies mittelfristig dramatische Auswirkungen auf die Vermittlung von Museumsinhalten haben,2 denn die Museen, die Abbildungen ihrer Bestände frei zugänglich machen, profitieren vom Schneeballeffekt der Weiterverteilung durch Nachnutzung. Bei der Nachnutzung spielen kommerzielle Anbieter eine wichtige Rolle, denn sie übernehmen das wirtschaftliche Risiko und tragen im Erfolgsfall dazu bei, Museen und ihre Bestände bekannt zu machen.Die Kostenfrage
Zieht man in Betracht, daß zumindest den großen öffentlichen Museen die wesentlichen Finanzmittel von den Steuerzahlern – also auch privaten Unternehmen mit kommerziellem Charakter – zur Verfügung gestellt werden, so sind zusätzliche Gebühren für eine kommerzielle Nutzung der von diesen Museen bereitgestellten Digitalisate eine doppelte Finanzierung der gleichen Leistung. Die in der „Empfehlung für die Umsetzung der Berliner Erklärung von 2003 im Bereich der unterzeichnenden Kultureinrichtungen („Best Practice“-Empfehlung)“3 genannte Begründung, bei einer freien kommerziellen Nutzung würden „die Profite Dritter … in diesem Fall auf den Investitionen der Kultureinrichtungen“ beruhen, ist unlogisch, denn warum sollten Käufer eines solchen kommerziellen Produkts für etwas bezahlen, was sie an anderer Stelle für die private Nutzung kostenlos bekämen? Die bei einer Freigabe durch Creative-Commons-Lizenzen erforderliche „Namensnennung“ und die Voraussetzung der „Weitergabe unter gleichen Bedingungen“4 führen dazu, daß nicht nur der Urheber genannt wird, sondern auch bei der Weiterverbreitung der frei lizensierte Inhalt mindestens als solcher gekennzeichnet werden muß, ja daß bei Veränderungen oder direktem Aufbauen auf diesem freien Inhalt dieselbe Lizenz wie für das Original zu verwenden ist. Für Kunden eines kommerziellen Anbieters bleibt also immer erkennbar, welche Teile des Produkts kostenlos verwendet werden können und sie werden wohl für ein solches Produkt nur den angemessenen Preis zahlen, der der zusätzlichen Leistung des kommerziellen Anbieters entspricht.Bereits widerlegt ist übrigens auch der oft noch wiederholte Glaube, mit Gebühren für die Fotonutzung könnten Gewinne erzielt werden. Untersuchungen in großen US-Sammlungen zeigen, daß die Verwaltung der Gebühren für die kommerzielle Nutzung durch die Einnahmen nicht voll gedeckt wird.5
Freie Daten für freie Bürger
Die dringende Notwendigkeit freier Daten für die Verfügbarkeit des kulturellen Erbes zeigt auch die Entscheidung der Europeana,6 alle Informationen unter einer offenen Lizenz zur Verfügung zu stellen.7 Fachkollegen haben die Museen, die sich dieser Entwicklung verschließen, bereits eindringlich gewarnt,8 daß sie damit- interessierte Nutzer von den autorisierten Informationsquellen über Sammlungsobjekte fernhalten,
- ihr Potential nicht nutzen, als zentrale Drehscheibe für motivierte Nutzer zur Verfügung zu stehen, die kreativ mit Kunst arbeiten und leben wollen und
- ihre eigene Daseinsberechtigung als öffentliche Kultureinrichtung untergraben.
Veröffentlichungen zu diesem Thema
Urheberrechte von Fotos: CC ist nicht OK (taz.de, 2.7.2015)Abgemahnt: Streit um Gemälde-Foto aus der Wikipedia (heise online, 3.7.2015)
Reiss Engelhorn Museum erklärt Blogger-Szene den Krieg (utopianreflections.net, 5.7.2015)
Museum will Wikipedia wegen Richard-Wagner-Bild klagen (Der Standard, 6.7.2015)
Gewährt Rechtssicherheit! (Wiener Zeitung, 6.7.2015)
Abmahnungen der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen wegen eines abfotografierten Gemäldes (RA Deubelli, 7.7.2015)
''Frage zum Thema Kultur'' von Thomas Reeh an Dr. Egon Jüttner (MdB, CDU) (abgeordnetenwatch.de, 7.7.2015)
Stellungnahme zur urheberrechtlichen Fragestellung in Bezug auf die Abbildung „Porträt Richard Wagner“ (Presseinformation der Reiss-Engelhorn-Museen, 8.7.2015)
Zoff um Richard-Wagner-Bild in Wikipedia (SWR, 9.7.2015)
Museumschef droht mit Klage (Stuttgarter Zeitung, 11.7.2015)
(Mannheimer Morgen, 11.7.2015)
Recht auf Abbildung (SZ, 14.7.2015)
Schande über die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen (Archivalia, 14.7.2015)
Mal wieder das Urheberrecht: Reiss-Engelhorn Museum will klagen (blog.arthistoricum.net, 15.7.2015)
Warum die Reiss-Engelhorn-Museen wegen Fotos Abmahnungen verschicken (RNZ, 22.7.2015)
Streit um Creative-Commons-Lizenz: Webseite vorsorglich abgeschaltet (taz.de, 15.7.2015)
Wikipedia: Streit um Gemälde-Fotos aus Museum landet vor Gericht (iRights info, 16.9.2015)
Wikimedia und Mannheimer Museum führen Musterprozess um Digitalisierung gemeinfreier Bilder (Netzpolitik.org, 16.9.2015)
Stadt Mannheim verklagt Wikimedia Foundation und Wikimedia Deutschland ‒ Gemeinfrei aber nicht gemeinsam? (Blog Wikimedia Deutschland, 23.11.2015)
Wikimedia Foundation, Wikimedia Deutschland urge Reiss Engelhorn Museum to reconsider suit over public domain works of art (Blog Wikimedia, 23.11.2015)
Urheberrecht: Mannheimer Museum verklagt Wikipedia-Betreiber (UPDATE) (heise online, 24.11.2015)
Reiss-Engelhorn-Museum scheitert mit Klage gegen Wikipedia Foto (Verfahren vor dem Amtsgericht Nürnberg, Az.:32 C 4607/15) (Kanzlei Hoesmann, Stand 27.11.2015)
Erklärung zum Fall Reiss-Engelhorn-Museen (Wikimedia Deutschland Blog, 21.06.2016)
Bildrechte: Wikimedia unterliegt vor Gericht gegen Museum (heise online, 21.06.2016)
Urheberrechtsklage: Wikimedia verliert Bildstreit um alte Gemälde (SPIEGEL online, 22.06.2016)
Landgericht Stuttgart: Wegweisende Entscheidung zu Fragen der Museumsfotografie (Gemeinsame Pressemitteilung der Kanzlei MMR Müller Müller Rößner, Berlin und der Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim vom 11.10.2016)
Landgericht Stuttgart: Wikipedia-Fotograf muss Museumsfotos löschen (iRIGHTS info, 11.10.2016)
Bildrechte: Wikipedianer unterliegt vor Gericht gegen Museum (heise online, 12.10.2016)
Kulturelles Erbe: Das Leben ist kein Ponyhof (MusErMeKu: Museum – Erinnerung – Medien – Kultur, 26.11.2016, Angelika Schoder)
Wenn Bildrechte Museen in den Wahnsinn treiben (Interview mit Roland Nachtigäller) (MusErMeKu: Museum – Erinnerung – Medien – Kultur, 8.2.2017, Angelika Schoder)
Gericht bestätigt: Wikipedia-Nutzer muss Fotos gemeinfreier Werke löschen (iRIGHTS info, 09.06.2017)
Wikipedia: Streit um gemeinfreie Bilder geht zum BGH (heise.de, 09.06.2017, Torsten Kleinz); Kommentar von ThT
R=Reproduktion. Wem gehört die Kunst? Diskussion im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) Karlsruhe am 26. Mai 2018 (Wikimedia Deutschland)
Wem gehören die Bilder? Ein Symposium zu Bildrechten im Marta Herford versuchte Antworten zu finden (Marta Herford, 14.-15.09.2018, Symposium über Bild- und Urheberrechte, Anke von Heyl, 02.10.2018)
Bundesgerichtshof: Museen dürfen gemeinfreie Bilder wegsperren (heise.de, 20.12.2018, Torsten Kleinz)
Siehe auch:
- Geschichtsbuch oder Gesichtsbuch? Was Bilder wirklich sagen … (EVA Berlin Konferenz 2014)
- Kapitel „Metadaten und semantisches Netz“ zum Zusammenhang zwischen freien Daten und Linked Open Data in „Intrinsischer Irrtum und semantische Spurensuche: Dokumentation von Fotografien in Museen“. In: Eine Fotografie: Über die transdisziplinären Möglichkeiten der Bildforschung, Münster 2017, S. 245–266.
- Klaus Graf: Kulturgut muss frei sein! (Kunstchronik 60 (2007), S. 507-510)
- Helene Hahn: Kooperativ in die digitale Zeit - wie öffentliche Kulturinstitutionen Cultural Commons fördern (urn:nbn:de:0297-zib-59131)
- Joris Pekel: Democratising the Rijksmuseum: Why Did the Rijksmuseum Make Available Their Highest Quality Material without Restrictions, and What Are the Results? 8. August 2014. http://pro.europeana.eu/publication/democratising-the-rijksmuseum
- Harry Verwayen: The Problem of the Yellow Milkmaid: A Business Model Perspective on Open Metadata (Europeana Whitepaper 2), 28. November 2011 http://pro.europeana.eu/publication/the-problem-of-the-yellow-milkmaid
- Valeonti, Foteini; Terras, Melissa; Hudson-Smith, Andrew; Zarkali, Chrysanthi: Exploring New Business Models For Monetising Digitisation Beyond Image Licensing To Promote Adoption Of Openglam, In: Konferenzband EVA Berlin 2018 (Elektronische Medien und Kunst, Kultur und Historie: 25. Berliner Veranstaltung der internationalen EVA-Serie Electronic Media and Visual Arts), herausgegeben von Eva Emenlauer-Blömers, Andreas Bienert, und James R. Hemsley, S. 274–280, 2018; auch: doi.org/10.11588/arthistoricum.442, Konferenzband
Resonanz
Kultur im Web: Newsletter 29. Juli 2015 (Kultur Digital): Freies kulturelles Erbe Für alle frei? Das sehen Kulturinstitutionen sehr unterschiedlich und beeinflussen den Umgang mit dem kulturellen Erbe durch ihre Strategien. Thomas Tunsch zeigt Szenarien in der Vermittlung auf, beleuchtet die Kostenfrage und befürchtet nicht nur eine zunehmende Bürokratisierung.Die museen-deutschland Zeitung ''(paper.li)'' 12. Oktober 2016
Anmerkungen
1 vgl. Abschnitt ''Veröffentlichungen''2 vgl. Mike Masnick, „Metropolitan Museum Of Art Claims Copyright Over Massive Trove Of Public Domain Works“, Techdirt, 22. Mai 2014, https://www.techdirt.com/articles/20140521/18014927319/metropolitan-museum-art-claimscopyright-over-massive-trove-public-domain-works-it-has-released.shtml
3 „Empfehlung für die Umsetzung der Berliner Erklärung von 2003 im Bereich der unterzeichnenden Kultureinrichtungen (‚Best Practice‘-Empfehlung“, November 2013, http://www.preussischer-kulturbesitz.de/fileadmin/user_upload/documents/mediathek/schwerpunkte/digitalisierung/rp/best_practice_richtlinie.pdf. S. 1
4 „Creative Commons — Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International — CC BY-SA 4.0“, Creative Commons, zugegriffen 5. September 2014, http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de
5 “Even those services that claimed to recoup full costs generally did not account fully for salary costs or overhead expenses.” (Selbst jene (Bild-)Dienste, die behaupteten, die vollen Kosten wieder hereinzuholen, berücksichtigten generell Lohnkosten oder Gemeinkosten nicht in vollem Umfang.) Simon Tanner, „Reproduction Charging Models & Rights Policy for Digital Images in American Art Museums: A Mellon Foundation Study“ (King’s Digital Consultancy Services, 2004), http://www.kdcs.kcl.ac.uk/fileadmin/documents/pubs/USMuseum_SimonTanner.pdf, https://web.archive.org/web/20161111191846/http://www.kdcs.kcl.ac.uk/innovation/us-art.html. S. 35; darauf bezieht sich auch eine 2013 veröffentlichte Studie: Kelly, Council on Library and Information Resources, und Andrew W. Mellon Foundation, Images of Works of Art in Museum Collections.
“none can demonstrate a profit once the cost of administration and operation are included in the calculations” (niemand kann einen Gewinn aufweisen, sobald die Kosten für die Verwaltung und die Betriebskosten in die Berechnungen einbezogen werden) Sanderhoff, „This Belongs to You: On Openness and Sharing at Statens Museum for Kunst“. S. 70
“... getting the public, both scholars and the general public, to pay for digital images ... this is sort of an open secret, but in the vast majority of cases, this is not a business model that works.” (... die Öffentlichkeit, Wissenschaftler und die breite Öffentlichkeit, dazu zu bekommen, für digitale Bilder zu zahlen ... das ist eine Art offenes Geheimnis, jedoch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist dies kein Geschäftsmodell, das funktioniert.) „The wide open future of the art museum: Q&A with William Noel“, TED Blog, zugegriffen 5. September 2014, http://blog.ted.com/2012/05/29/the-wide-open-future-of-the-art-museum-qa-with-william-noel/.
Valeonti, Foteini, Melissa Terras, Andrew Hudson-Smith, und Chrysanthi Zarkali. „Exploring New Business Models For Monetising Digitisation Beyond Image Licensing To Promote Adoption Of Openglam“. In: Konferenzband EVA Berlin 2018 (Elektronische Medien und Kunst, Kultur und Historie: 25. Berliner Veranstaltung der internationalen EVA-Serie Electronic Media and Visual Arts), herausgegeben von Eva Emenlauer-Blömers, Andreas Bienert, und James R. Hemsley, 274–280, 2018. https://doi.org/10.11588/arthistoricum.442.
6 „Europeana“, Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, zugegriffen 5. September 2014, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Europeana&oldid=131988124
7 „Legal requirements for Providing Data“, Europeana Professional, zugegriffen 5. September 2014, http://pro.europeana.eu/licensing.
8 Sanderhoff, Merete, Hrsg. „This Belongs to You: On Openness and Sharing at Statens Museum for Kunst“. In ''Sharing Is Caring: Openness and Sharing in the Cultural Heritage Sector'', 20–131. Copenhagen: Statens Museum for Kunst, 2014. http://www.smk.dk/fileadmin/user_upload/Billeder/forsiden/94124_sharing_is_Caring_UK.pdf, S. 40f.
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